In den Ferien Geburtstag zu haben ist so eine Sache. Früher fand ich das ziemlich blöd, denn Kinder, die während der Schulzeit Geburtstag hatten, wurden an ihrem Jubeltag von den Hausaufgaben befreit. Mich traf dieses Glück nie, was ich über viele Jahre hinweg als schwere Benachteiligung empfand. Darüber hinaus waren die meisten Kinder in der Ferienzeit mit ihren Eltern weg, so dass nur wenige übrig blieben, die man zur Geburtstagsfeier einladen konnte.

Da meine Eltern bevorzugt ab Mitte August mit mir und meiner Schwester in den Urlaub fuhren, fiel mein Geburtstag fast immer auf diese Zeit. Zum Glück waren oft befreundete Familien mit ihren Kindern dabei, so dass der Kindergeburtstag dann am Campingplatz ausgerichtet wurde. Meine Mutti hatte, gut organisiert, immer ein komplettes Geburtstag Equippement dabei, so dass es immer ein recht lustig wurde.

Normalerweise würde ich die großen Sommerferien ja wie der Teufel das Weihwasser meiden. Aber inzwischen ist es wieder so, dass jeder zweite meiner Geburtstage auf unseren Sommerurlaub fällt. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir Lara entweder in der ersten oder in der zweiten Ferienhälfte haben. Dieses Jahr war es mal wieder soweit.

Ich bekam die Anweisung, am Morgen so lange im Bett zu bleiben, bis man mich rufen würde. Keine allzu schwere Übung, der ich gerne nachkam. Ich war schon gespannt, was ich wohl zum Geburtstag bekommen würde. Denn ich hatte Toni einige Wochen zu vor mal einen Tipp gegeben. Hauptsächlich deswegen, weil ich tatsächlich eine Sache gefunden hatte, die ich mir wünschte, ihm aber zu Beginn unserer Beziehung mal gesagt hatte, dass er mir auf keinen Fall Schmuck schenken solle. Da mein Mann diesbezüglich auch durchaus aufmerksam ist, musste ich ihm natürlich klar machen, dass diese Ansage für diesen einen Fall außer Kraft gesetzt war und mir in diesem Jahr durchaus nach Diamanten und Goldgeschmeide war. Allerdings erklärte er mir einige Tage vor der Abreise, dass er schon ein Geschenk für mich bestellt hätte und mir schwante, dass die Chancen auf meinen Tipp schwinden würden. Umso mehr war ich gespannt.

Lara und Toni waren recht geschäftig zugange und als ich gerufenen wurde, war der Frühstückstisch gedeckt und Lara hatte in aller Früh noch Steine mit Wasserfarben mit „ALLES GUTE“ (natürlich ohne Gänsefüßchen) bemalt. Schlaftrunken und hungrig wie ich war, habe ich dann mein Geschenk, das ganz süß in einem Steinimitat-Kästchen versteckt war und zwischen den Marmeladen lag, völlig übersehen. Aber der erste Schluck Kaffee weckte mein Denkvermögen und mein Adlerblick erkannte auf den zweiten Blick, dass dieser Stein mit rotem Band und Herzchen nicht echt war. Und drinnen lag tatsächlich das was ich mir gewünscht hatte – oh wie schön, oh Du guter Mann!

Allerdings habe ich immer noch nicht rausgefunden, was das andere Geschenk gewesen wäre. Aber vielleicht offenbart sich das ja zu Weihnachten. Ein bisschen Geduld muss schon sein.

Als Toni dann noch den Vorschlag machte, dass wir abends schön Essen gehen, schwebte ich im siebten Himmel. Er hatte von einem tollen Restaurant, ganz in der Nähe am Meer gehört und uns dort – ganz Mann einer Projektmanagerin – telefonisch einen Platz reserviert. Das Restaurant war wohl für seine leckeren Fischgerichte bekannt. Meine Frage, ob er denn beim telefonieren auch abgeklärt hätte ob das was für mich dabei ist, verneinte er und meinte weltmännisch, dass die auf alle Fälle auch etwas für Nicht-Fisch-Esser hätten. Ich dachte mir „Dein Wort in Gottes Ohr“.

An der Stelle muss ich erklärend hinzufügen, dass ich Fisch absolut nicht mag und zwar so richtig nicht mag. Als Kind, wenn es zu Hause Forelle blau gab, habe ich meinen Teller Kartoffeln mit Butter alleine auf mein Zimmer gegessen, weil mir alleine schon vom Geruch und vom Anblick der blöden blauen Forelle schlecht wurde. Wenn meine Mama Eis gekauft hatte und es vor mir in Sicherheit bringen wollte, dann musste sie nur eine gefrorene Forelle in das Eisfach legen und schon war das Eis sicher. Das hat sich auch nach meinem längeren Italienaufenthalt nicht geändert und da gab es vom Opa meines damaligen Freundes wirklich den besten und frischesten Fisch, den man sich vorstellen konnte. Wenn mich meine Eltern besuchen kamen, waren sie von den Fischgerichten meiner „Schwiegermutter“ immer ganz hin und weg. Wahrscheinlich hätten sie mich auch ohne meine Zustimmung verheiratet, wenn sie damit sichergestellt hätten, auf immer und ewig so leckeren Fische kredenzt zu bekommen. Das war aber zum Glück nicht der Fall.

Alleine der Weg zum Restaurant war schon spannend und führt hinter dem Zeltplatz durch die Macchia, an einem Camping-Müll-Platz vorbei, ziemlich steinig zum Meer hinunter. Weder ein Schild noch der staubige Feldweg ließen darauf schließen, dass da noch was kommen würde. Als wir nach ein paar Gehminuten ankamen, waren wir von der Lage des Lokals und dem traumhaften Freisitz auf den Felsen über dem türkis blauen Meer überwältigt. Ein netter, junger, deutsch sprechender Kellner führte uns zum Platz und wir waren alleine schon vom Ausblick geflasht. Genau so hatte ich mir mein Geburtstagsabendessen vorgestellt, zumindest bis dahin.

Wir bestellten unsere Getränke und Toni erklärte dem Kellner, dass er und Lara Fisch essen würden und fragte, welche Nicht-Fisch-Alternativen es denn für mich gäbe. Der Kellner blickte uns mit großen Augen an, starrte verwirrt auf mich und ich nehme an, er fragte sich wohl, was wir dann hier wollten. Nach dem ersten Schreck erklärte er uns souverän, dass er uns seinen Chef schickt. Der kam dann auch und zählte uns auf was es gab: Fisch – Fisch und nochmal Fisch.

Lara sah mich skeptisch abwartend von der Seite an, während Toni’s Blick leicht panisch wurde und ich dachte mir „Super Volltreffer – Geburtstagsabendessen der ultimativen Nicht-Fisch-Esserin-Sabine im Fischrestaurant“. Das obligatorische „hab ich’s nicht gesagt“ verkniff ich mir, denn jetzt tat mir Toni leid, denn der hatte damit wohl gar nicht gerechnet. Ich überlegte kurz, welche Möglichkeiten sich mir zu Flucht boten, aber ich hatte keine Lust wieder den Berg hochzulaufen, geschweige denn mich ins Meer zu stürzen. Die Gedanken sprangen im wilden Zick-Zack durch meinen Kopf. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass ich im letzten Jahr den Sprung in einen über zwei Meter hohen Wasserfall überlebt hatte, also würde ich auch einen Abend im Fischlokal überleben. Hatte ich mir doch zu Beginn des Jahres vorgenommen, mich neuen Herausforderungen zu öffnen. Wobei ich damals allerdings nicht an Fisch gedacht hatte.

Toni traute dem Frieden nicht ganz und bot mir an, in ein anderes Lokal umzuziehen. Aber da nebenan auch ein Fischlokal war, erschien mir diese Alternative nicht sehr verlockend und das, in dem wir waren, hatte eindeutig die besseren Bewertungen. Todesmutig bestellte ich also frischen Garnelensalat zur Vorspeise und ein Schwertfischfilet als Hauptspeise. Der Chef versprach mir hoch und heilig alle Köpfe, Augen, Flossen, Gräten und Fühler vor dem Servieren zu entfernen – und – hat sein Versprechen gehalten. Ich überlegte mir einstweilen, wie man diese Sachen wohl am besten isst, ohne ihren Geschmack schmecken zu müssen.

Mir war das schon mal gelungen als wir in Italien zu einem Abendessen eingeladen waren und die Gastgeberin stolz ihre Nudeln mit Muscheln auf den Tisch gestellt hatte. Sie war in der Früh extra auf den Markt gefahren um diese fangfrisch zu holen und ich wusste auch noch, dass sie ungern kocht und diesen Aufwand nur uns zu Liebe machte. Daher brachte ich es nicht übers Herz ihr zu sagen, dass es mir davor graust. Also habe ich jeder Muschel mit ganz viel Nudeln umwickelt und ohne zu kauen runtergeschluckt. Toni, der Pharisäer, konnte sich das Grinsen kaum verkneifen, wusste er doch ob meiner verzweifelten Lage. Ich musste ihm erst mehrfach auf den Fuß treten bis er kapierte, dass er mir bitte die eine oder andere Muschel vom Teller klauen sollte. Das alles sah in ihren Augen so gierig aus, dass ich mit Müh und Not verhindern konnte, dass sie mir noch eine zweite Portion auf den Teller schaufelte.

Aber zurück zum Geburtstagsabendessen. Trotzdem jede Gabel, nach fünfundvierzigjähriger Fischabstinenz, zum Mund erst mal eine psychische und physische (innere Abwehrhaltung) Herausforderung war und sich mein Gaumen zur Sicherheit auf „ich schmecke nichts“ eingestellt hatte, war es gar nicht so schlimm. Fairerweise muss ich sogar sagen, dass es eigentlich nahezu gut war. Vor allem waren die Sachen wirklich tagesfrisch und man hat weit und breit keinen Fischgeruch wahrgenommen. Ich habe sogar von Toni’s Teller Knurrhahn-Fisch gekostet, der ein noch weißeres und feineres Fleisch hatte als mein Schwertfisch.

Die anderen Gäste, zumeist Segler die mit ihren Dingis (kleinen Beibooten) von ihren Jachten kommend an der restauranteigenen Mole angelegt hatten, rätselten wahrscheinlich schon welch hoher Besuch denn da war. Denn der Chef und die Kellner kamen in regelmäßigen Abständen bei mir vorbei kamen und fragten besorgt, ob es mir denn auch schmecken würde.

Jetzt fehlt noch ein Schluss und mir fällt außer „Fisch gut – alles gut“ nichts ein.

3 Thoughts on “Geburtstagsfisch

  1. Hallo Ihr Weltenbummler,

    was freue ich mich, dass Ihr einen Blog (oder das Blog ?? Da scheiden sich die Geister) schreibt, der so erfrischend und lustig ist 🙂 Schön, dass mir Ralf im Vorbeigehen sozusagen, erzählt hat, dass Ihr so was überhaupt macht. Und in der kurzen Zeit Eures Urlaub’s, habt Ihr ja auch schon eine Menge zu erzählen gehabt – stellt Euch mal vor, wie langweilig Euch wäre, wenn das alles nicht passiert wär 🙂
    Und Biene, dieses Geburtstags-Dilemma kenne ich. Nur mit dem Unterschied, dass es mich immer in den Winterferien erwischt hat. Keine Sau da und somit auch weniger Geschenke – so zumindest mein Denken vor 35 Jahren. Kein Wunder also, dass ich später zur „Shopping-Queen“ ernannt wurde – ich hatte anscheinend Nachholebedarf 🙂 Wie auch immer, herzlichen Glückwunsch noch nachträglich zum Geburtstag und ich find das spitze, dass Du die Fisch-Herausforderung angenommen hast. Ab und zu mal was Neues ins Leben zu bringen, ist wunderbar und abwechslungsreich.
    Und ich freue mich schon diebisch darauf, bald wieder was von Euch zu lesen und wünsche Euch eine tolle Zeit. Winke winke und viele Grüße, Gabi

    • Sabine Grad on August 26, 2017 at 12:22 pm said:

      Liebe Gabi, vielen Dank für Deinen Lieben Kommentar. Schön zu wissen, dass man Gleichgesinnte hat. Bei uns wird’s grad etwas ruhiger weil wir dieses Mal tatsächlich länger an einem Platz bleiben und einfach nur so in den Tag hinein faulenzen. Bis bald Sabine

  2. Christine on August 26, 2017 at 8:22 pm said:

    Haha … der Blick sagt alles ;-)))
    Fisch fischelt nur so übel, wenn er nicht frisch ist und ein Filet ist ja zum Glück Augen-frei. Achja … wir hatten gestern superleckeren Steckerlfisch (hab die Augen aber übrig gelassen … und die Gräten und Flossen auch :D)
    Jetzt würde ich nur noch gerne ein Foto des geheimnisvollen Gegenstandes im Steinkästchen sehen – oder ist es das, was du um den Hals trägst?
    Einen schönen Urlaub wünsch ich euch noch – und nächstes Jahr seids hoffentlich wieder beim Weißwurstfrühstück zum Wiesn-Einzug dabei!
    Liebe Grüße!

Schreibe eine Antwort zu Sabine Grad Antwort abbrechen

Post Navigation