Es ist nach Mitternacht, ich kann nicht schlafen. Warum? Ich weiß es nicht. Obwohl, ich weiß es doch.

Ich habe Hunger. Also nicht so richtigen Hunger, mehr so Appetit auf was Süßes. Genauer gesagt auf Schokolade. Jetzt bin ich wach. Schokolade wie lecker!

Mist wir haben keine Schokolade zu Hause. Aber ich könnte noch schnell zur Tankstelle fahren. Gute Idee, aber die Tankstelle macht um Mitternacht zu. Na dann klinge ich eben bei den Nachbarn. Immerhin ist es ein Notfall. Obwohl, das sollte ich nochmal überdenken. Mein Papa, bei dem ich lebe, ist da etwas konservativ.

Ein plötzlicher Gedankenblitz und jetzt fällt es mir ein. Von Weihnachten ist noch ein Päckchen Mon Cherie übrig. Die Lieblingspralinen meines Vaters. Warum die noch da ist? Erstens, weil sie damals hinter den Küchenschrank gefallen sind und noch immer irgendwo zwischen Schrank und Wand hängen. Zweitens, weil ich keine Schnapspralinen mag. Doch wie sagt meine Oma so schön: In der Not frisst der Teufel Fliegen“. Ich spüre förmlich, wie die Schokolade auf meiner Zunge schmilzt.

Raus aus dem Bett, leise in die Küche schleichen und mit der Taschenlampe hinter den Küchenschrank leuchten. Da, da hängt es, das Ziel meiner Sehnsucht. Etwas verstaubt, aber die Mon Cherie sind ja verpackt.

Mist, ich komme nicht ran. Auch der längste Kochlöffel reicht nicht. Schweiß steht mir auf der Stirn und die Verzweiflung ist mir ins Gesicht geschrieben. Wie, wie nur komme ich ran. Was ist schmal und lang genug. Ich hab’s! Im Flur hängt der Massai Speer, den mein Opa in den 70ern aus Kenia von seiner Kilimandscharo Besteigung mitgebracht hat.

Es ist nicht einfach in der kleinen Küche mit dem langen Speer zu hantieren, aber Geduld und Heißhunger schließen sich ja nicht aus. Geschafft, ungeduldig den Staub mit der Hand von der Folie wischend, reiße ich das Päckchen auf. Ich will mir die erste Praline schon in den Mund stecken, da fällt es mir wieder ein. Diese blöde schnapsgetränkte Piemont Kirsche hat mich schon immer gestört. Von der möchte ich mir jetzt nicht den feinen Schokoladengeschmack verderben lassen. Wie kriegt man die nur ohne Sauerei raus und entfernt dabei auch gleich den Schnapsgeschmack.

Ich wühle in meinem Nähkästchen und entdecke eine Häkelnadel No. 2. Vorsichtig beiße ich ein Eckchen der Praline ab. Gerade so, dass kein Schnaps auf meine Zunge kommt. Mit der Häkelnadel hole ich die Kirsche raus. Count Down. Jetzt nur das Schokoladengehäuse unter leicht lauwarmen Wasser ausspülen, gerade so warm, dass die Schoki nicht schmilzt. Konzentriert wie im Akkord arbeite ich mich Praline für Praline voran. Bis sie alle jungfräulich auf einem weißen Teller vor mir liegen.

Die Türe geht auf, mein Vater kommt im Schlafanzug rein. „Warum bist Du denn auf? Ah, Mon Cheri wie lecker, gib mal eine her!“

6 Thoughts on “Schokoladenträume meiner Jugend

  1. Eva Borchin on März 26, 2020 at 5:17 am said:

    Sabine, vielen Dank für die leckere Lesepause. Wie immer, eine köstliche, schmunzelte Unterhaltung wenn man sie gerade am meisten braucht.

  2. Danke für das breite Grinsen, das du mir gerade ins Gesicht gezaubert hast 😀

  3. Gabi on April 3, 2020 at 6:16 pm said:

    Ich lach mich schlapp, was du alles veranstaltest, um Naschen zu können 🙂 Und dann auch noch Mon Cherie…..Ich weiss, was Du meinst – es gibt durchaus leckerere Schoki ! Hast Du kein Nutella gefunden oder hattest du das Glas zu gut versteckt ?? Liebe Grüsse aus München ‍♀️

    • Sabine on April 10, 2020 at 11:33 pm said:

      Liebe Gabi, vielen Dank für Dein nettes Feedback. Die Geschichte (Tatsachenbericht) ist schon ziemlich alt. Ich muss damals etwas 25 gewesen sein. Auf Schoki stand ich schon immer. Nutella hatte ich sicherlich keines zu Hause, sonst hätte ich die Zirkus nicht veranstaltet. Hoffe es geht Euch gut. Alles Liebe Sabine

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